Bei der Geburt unserer zweiten Tochter sagte ein älterer Bekannter zu uns: „Jetzt seid ihr eine richtige Familie!“ Er meinte das gut, hatte selbst zwei Kinder. Aber wir haben uns schon gefragt, was denn eine richtige, normale oder vielleicht durchschnittliche Familie sein soll. Mittlerweile haben wir drei Töchter – sind wir jetzt keine richtige Familie mehr? Oder sogar richtiger? Beides ist auf jeden Fall Quatsch. Aber schauen wir uns doch einmal die Durchschnittsfamilie in Deutschland in Zahlen an.
Laut Daten vom Statistischen Bundesamt (2019/2020) gibt es in Deutschland 41,5 Millionen private Haushalte und 11,6 Mio. Familien mit Kindern. Darunter werden 2,6 Mio. Alleinerziehende in der Statistik angeführt. Was ist mit Blick auf die Mehrheit denn nun Normalität der Familie in Deutschland? Auch in Bezug auf familiäre Details bieten die staatlichen Statistiken interessante Einblicke. Schauen wir uns zunächst die Anzahl der Kinder in deutschen Familien an.
Durchschnittsfamilie in Deutschland mit einem Kind
Laut oben genannter Statistik haben in Deutschland die meisten Familien ein Kind – nämlich 5,92 Mio. Familien. Gefolgt von 4,21 Mio. Familien, die zwei Kinder haben. Drei oder mehr Kinder haben „nur noch“ 1,42 Mio. Familien. Damit sind größere bzw. Großfamilien in Deutschland eindeutig in der Minderzahl.
Betrachten wir die durchschnittliche Anzahl von Kindern, die eine Frau in ihrem Leben gebärt, kurz: die Fertilitätsrate, liegt Europa im Vergleich der Weltregionen ganz hinten. Innerhalb der Europäischen Union lag Deutschland laut Erhebung von 2019 mit durchschnittlich 1,54 Kindern auf dem 16. Rang. An der Spitze lag Frankreich mit 1,89 Kindern.
Das wird übrigens ziemlich lustig in diesem Clip thematisiert (Achtung, Satire):
Familien mit Lebensgemeinschaften in Deutschland
Bis vor nicht allzu langer Zeit wurden fast alle Paare, die ohne vorherige Heirat Kinder bekamen, mit Augenrollen und Stirnrunzeln bestraft. Je nach Umfeld kommt das bis heute vor. Bekanntlich haben es gleichgeschlechtliche Paare und Eltern in Deutschland noch viel schwerer, was gesellschaftliche Akzeptanz anbelangt.
Das deutsche Statistikamt spricht bei diesen Eltern und Familien etwas abstrakt von „Lebensgemeinschaften“. Die genaue Definition auf der Seite des Statistischen Bundesamtes (2021) lautet wie folgt:
„Unter einer gemischtgeschlechtlichen oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft wird im Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes eine Lebenspartnerschaft verstanden, bei der zwei gemischt- oder gleichgeschlechtliche Lebenspartner ohne Trauschein beziehungsweise zwei gleichgeschlechtliche Lebenspartner mit Trauschein oder notarieller Beglaubigung in einem Haushalt zusammen leben und gemeinsam wirtschaften.“
Bis zum Mikrozensus 2005 spielte es dabei übrigens keine Rolle, ob es sich um eingetragene Lebenspartnerschaft gemäß dem im Jahr 2001 eingeführten Lebenspartnerschaftsgesetz handelte. Seit 2006 werden im Mikrozensus der Regierung auch eingetragene Lebenspartnerschaften erfragt.
Sogenannte Regenbogen-Familien in Deutschland
Die im verbreiteten Sprachgebrauch bunteste Familie in Deutschland ist die Regenbogen-Familie. Sie beinhaltet mindestens ein Elternteil, das „gleichgeschlechtlich liebt oder transgeschlechtlich lebt“ (LSVD 2021).
Hierzu liegen jedoch keine so genauen Zahlen vor – auch weil beispielsweise einige Kinder bei homosexuellen Paaren wohnen, aber aus früheren heterosexuellen Beziehungen eines Partner oder einer Partnerin stammen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass es in Deutschland ca. 14.000 Regenbogenfamilien gibt.
Regenbogenfamilien haben mit einer Vielzahl an Vorurteilen und Herausforderungen im Alltag zu kämpfen. So bedarf es nicht selten besonderer Erklärungen und Rechtfertigungen, wenn sie ihren Kinderwunsch gegenüber dem sozialen Umfeld und der eigenen Herkunftsfamilie äußern.
Durchschnittsfamilie in Deutschland aussagelos?
Die Durchschnittsfamilie in Deutschland hat also ein bis zwei Kinder. Alltag ist aber zugleich, dass viele Elternteile in Deutschland, darunter vor allem Mütter, ihre Kinder alleine großziehen. Das alles sagt natürlich nichts über die Qualität von Familien aus.
Die hohe Scheidungsquote in Deutschland kann ein trauriges Lied davon singen, dass zum Beispiel ein Ehegelübde keinesfalls eine Garantie für eine harmonische Familie ist. Auch ist es keineswegs belegt, dass Kinder generell oder eine bestimmte Anzahl an Kindern Menschen bzw. Eltern glücklich(er) machen.
Die Politik, als ein zentraler Spiegel der Gesellschaft, hat zudem oft über das Wohlergehen von Kindern schwuler und lesbischer Eltern spekuliert, ohne viel darüber zu wissen. Repräsentative Studien haben längt gezeigt, dass sich diese Kinder genauso gut entwickeln wie Kinder heterosexueller Paare (z.B. 2009).
Anerkennung für jede engagierte Familie fördern
Entsprechend wichtig ist es, dass eine moderne Familienpolitik die heutige Familienvielfalt rechtlich anerkennt und strukturell unterstützt. Mindestens genauso wichtig ist es, dass die Gesellschaft und gerade alle Eltern untereinander, ungeachtet ihrer Partnerschaften und Elter(n)-Konstellationen, Anerkennung für engagiertes Elternsein und fürsorgliche Familien aufbringen.
Um auf den eingangs erwähnten Spruch zur richtigen Familie mit zwei Kindern zurückzukommen. Es gibt wunderbare Familien mit zwei Kindern. Aber auch viele mit einem Kind oder fünf Kindern, von denen man sich einiges abschauen kann.
Außerdem entwickelt sich jede Familie ständig weiter. Hier für sich stetig zu schauen, was allen Beteiligten guttut, ist sicher gesünder als der Blick auf veraltete Traditionen oder emotionslose Statistiken über Durchschnittsfamilie in Deutschland oder sonst irgendwo.
Auf moderne-familie.de möchten wir einen kleinen Beitrag für mehr Wissen und Verständnis für die vielfältige Familie von heute leisten. Deshalb freuen wir uns sehr über Kommentare und Gastbeiträge von Familien, die in diesem Kontext etwas zu erzählen haben.
Artikelbild: Juliane Liebermann / Unsplash
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