Regenbogenfamilien in Deutschland 2021

Regenbogenfamilien in Deutschland 2021 – Laura und Karin über ihr Familienglück

Laura und Karin kennen sich seit fast zehn Jahren und haben vor vier Jahren geheiratet. Laura hat vor zwei Jahren ein Mädchen auf die Welt gebracht, zurzeit ist Karin mit dem zweiten Kind schwanger. Ihr gemeinsamer Sohn wird in wenigen Wochen zur Welt kommen. Wir haben die beiden zu ihrer Lebens- und Familiensituation interviewen dürfen. So gestalten sich im Jahr 2021 die Erfahrungen von Regenbogenfamilien in Deutschland 2021.

Laura und Karin über ihr Familienglück

War für euch von Anfang an klar, dass ihr Kinder wollt, und wann habt ihr gemerkt, dass der richtige Zeitpunkt da ist?

Uns beiden war klar, dass wir eine Familie haben möchten. Ein Leben ohne Kinder hätten wir uns nicht vorstellen können. Da Laura sechs Jahre älter ist, war sie schon länger bereit für Kinder. Karin wollte zunächst ihr Referendariat beenden. Dann war der richtige Zeitpunkt gekommen.

Was hat euch bei der Kinderplanung inspiriert oder geholfen, welche Hürden gab es zu überwinden?

Für uns als zwei Frauen gab es natürlich viele Hürden zu überwinden. Fragen, die wir uns stellten, waren z. B.: Ist es für ein Kind in Ordnung, mit zwei Frauen aufzuwachsen? Muten wir dem Kind unnötig viel zu? Was für ein Verhältnis soll das Kind zu seinem Vater haben? Wie kommen wir an einen Spender? Inspiriert haben uns bei der Planung u. a. Dokumentationen im Fernsehen und bekannte homosexuelle Paare mit Kindern.

Regenbogenfamilien in Deutschland – wichtige Überlegungen

Wie habt ihr den biologischen Kindesvater für eure Schwangerschaft ausgewählt und was war euch dabei wichtig?

Wir haben lange überlegt, was für ein Verhältnis unsere Kinder zu ihrem Vater haben sollen. Ziemlich schnell war dabei für uns klar, dass wir ungerne auf einen anonymen Samenspender zurückgreifen möchten, bei dem das Kind erst mit 16 Jahren die Chance hat, seinen Vater kennenzulernen. Andererseits wollten wir aber auch keinen Vater, der ein Sorgerecht hat und Erziehungsaufgaben übernimmt.

Die Kernfamilie sollte aus uns Müttern und unseren Kindern bestehen, der Vater im lockeren Kontakt verbunden sein. Als wir überlegten, wer aus unserem Bekanntenkreis für ein solches Modell in Frage kommen könnte, fiel uns direkt Lauras Studienfreund Martin ein. Auf einer Geburtstagsfeier unterhielten sich Laura und Martin über unsere Vorstellungen und im Laufe mehrerer Monate und Treffen reifte unser Plan heran.

Welche Rolle spielt der Kindesvater in eurem Leben und welche Tipps habt ihr in dieser Hinsicht?

Martin kommt uns etwa alle zwei Wochen besuchen. Er verbringt dann Zeit mit unserer Tochter und mit uns. Der Kontakt ist freundschaftlich und entspannt. Martin genießt die Zeit mit seiner Tochter, würde sich aber nie in erzieherische Fragen einmischen und vertraut uns in unseren Entscheidungen. Wir hoffen, dass so unsere Tochter ein ungezwungenes Verhältnis zu ihrem Vater aufbauen kann. Wichtig ist immer wieder, offen miteinander zu sprechen und Erwartungen, Bedürfnisse und Wünsche aufeinander abzustimmen.

Regenbogenfamilie Deutschland 2021

Euer zweites Kind ist schon unterwegs und bald seid ihr zu viert – was bedeutet euch persönlich Familie?

Wir sind gerne in Gemeinschaft eingebunden. Familie ist dabei die existenzielle Form unseres Daseins, die Basis unseres Lebens.

Hoffentlich keine blöde Frage – aber sagt eure Tochter (und bald euer Sohn) zu euch beiden Mama?

Laura wird mit „Mama“ angesprochen, Karin mit „Mami“. Das klappt besser als gedacht.

Reaktionen auf Regenbogenfamilien in Deutschland 2021

Welche Reaktionen beobachtet ihr im Alltag bezüglich eurer gleichgeschlechtlichen Ehe und Elternschaft?

Bisher überwiegt der Zuspruch von allen Seiten. Unsere Familien und Freunde freuen sich, wie unkompliziert wir unsere Vorstellungen verwirklichen konnten. Obwohl unser Familienmodell recht unkonventionell ist, funktioniert es für uns gut.

Was Fremde denken, bekommen wir in der Regel nicht mit. Negative Kommentare haben wir noch nie direkt erfahren. Ob unsere Tochter damit konfrontiert wird, wenn sie in den Kindergarten geht, wird sich zeigen.

Gesetzlich ist in Deutschland die gleichgeschlechtliche Ehe der heterosexuellen gleichgestellt. Kommt es aus eurer Sicht trotzdem zu Diskriminierung?

Karin musste unsere Tochter adoptieren. Dazu mussten wir zum Notar gehen, einen Fragebogen vom Jugendamt ausfüllen, einen Termin mit einer Jugendamtsmitarbeiterin wahrnehmen und einen Gerichtstermin absolvieren. Das Prozedere ist aufwändig, wenn man überlegt, dass ein heterosexuelles Paar es nicht durchlaufen muss. Ein heterosexuelles Paar würde auch nie gefragt werden: „Wie bringen Sie sich in die Erziehung ein?“, „Warum entspricht es dem Kindeswohl, mit Ihnen zusammen zu leben?“. Da braucht man schon ein dickes Fell oder viel Humor.

Ihr habt evangelisch geheiratet und eure Tochter getauft – ärgert euch die rückständige Haltung der Katholiken?

Natürlich wäre es schön, wenn sich da mal etwas tun würde. Da wir aber keinerlei Berührungspunkte zur katholischen Kirche haben, ist unser Leben nicht von der Rückschrittlichkeit beeinträchtigt. Die evangelische Kirche ist da schon reizvoller und wir haben eine tolle Pfarrerin, die uns ohne jegliche Vorurteile und mit ganz viel Herzenswärme begegnet.

Tipps für Regenbogenfamilien in Deutschland

Welche Tipps oder Erfahrungswerte habt ihr für (junge) gleichgeschlechtliche Paare, die Kinder bekommen möchten?

Man sollte in jedem Fall frühzeitig mit der Planung beginnen. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, an einen Spender zu kommen.

  • Man findet einen privaten Spender im näheren oder entfernteren Bekanntenkreis.
  • Die Spendersuche läuft über Internetseiten wie beispielsweise Familyship.org.
  • Man wendet sich an eine Kinderwunschklinik.

Auf Seiten wie Familyship.org kann man sich registrieren und individuelle Vorstellungen zu einem selbst erstellten Benutzerprofil hinzufügen. So kann man angeben, ob viel oder wenig Kontakt bestehen soll.

Sobald das Kind dann auf der Welt ist, sollte man sich um einen Notartermin bemühen, um auch rechtlich alles abzusichern. Dort sind alle drei Beteiligten – also der Spender und das Paar – anwesend, um den Adoptionsvertrag zu unterschreiben. Alle weiteren Schritte werden vom Notar in die Wege geleitet.

Gleichgeschlechtliche Eltern 2021

Was ist für euch ein modernes Familienbild und was müssen wir in der Gesellschaft tun, um das zu erreichen oder zu stärken?

Viel wichtiger als die Mitglieder einer Familie sind unserer Meinung nach die Werte, die dahinterstehen. Für uns bedeutet Familie, füreinander da zu sein, zusammen schöne und auch anstrengende Zeiten zu verbringen bzw. zu durchleben, gemeinsam den Alltag zu managen und die Zukunft zu gestalten.

In den Köpfen der Gesellschaft ist die klassische Familie bestehend aus Vater, Mutter und zwei Kindern noch weit verbreitet. Insbesondere öffentliche Institutionen wie Kindergarten, Schule, Universität, Freizeiteinrichtungen, Sport- oder Kultureinrichtungen sollten ihren Fokus noch mehr dahingehend erweitern, dass viele Familienformen denkbar sind. Auch Kinderbücher könnten die Thematik häufiger aufgreifen.

Vielen Dank für das Interview, Laura und Karin!

Symbolbild: Unsplash / Norbu GYACHUNG

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Die Autoren

Imke und Jonny

Imke und Jonny sind Eltern von drei Kindern und bloggen auf moderne-familie.de über ihren Lebens- und Familienalltag – von gesundem Essen über Familienreisen bis zu Erziehungsfragen. Außerdem befassen sie sich in Interviews und Fachbeiträgen mit Familienkonzepten im Wandel.

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