Lesemuffel? So entdecken Kinder die Magie der Bücher (wieder)
Die Zahlen sind alarmierend: Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen, wie die IGLU-Studie von 2021 zeigt. Das muss aber nicht so bleiben! Lesemuffel? So entdecken Kinder die Magie der Bücher (wieder).
Kinder zwischen 10 und 17 Jahren verbringen durchschnittlich nur 19 Minuten täglich mit Lesen – eine erschreckend geringe Zeit in unserer digitalen Welt. Doch es gibt Hoffnung: Mit den richtigen Strategien können auch die größten Lesemuffel wieder Freude an Büchern finden.
Inhaltsverzeichnis
Lesemuffel-Alarm? Aktuelles Leseverhalten in Deutschland
Während die Corona-Pandemie den Medienkonsum von Kindern stark beeinflusst hat, zeigen aktuelle Studien ein gemischtes Bild. Interessant ist, dass Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren wieder mehr zu gedruckten Büchern greifen und täglich 63 Minuten mit Lesen verbringen.
Dies beweist: Das Interesse an Büchern ist nicht verloren – es muss nur richtig geweckt werden. Tatsache ist leider auch, dass viele Kids deutlich weniger lesen, als es eigentlich empfohlen wird, wie die folgende Tabelle zeigt.
Aktuelle und empfohlene Lesezeit von Kindern in Deutschland
Altersgruppe
Aktuelle Lesezeit (Durchschnitt)
Empfohlene tägliche Lesezeit
Entwicklungsziel
6-9 Jahre
15-20 Minuten
20-30 Minuten
Lesefertigkeit festigen
10-13 Jahre
19 Minuten
30-45 Minuten
Lesefluency entwickeln
14-17 Jahre
19 Minuten
45-60 Minuten
Kritisches Leseverständnis
Jugendliche (12-19)
63 Minuten (gedruckte Bücher)
60+ Minuten
Lebenslange Lesegewohnheit
Der Markt für Kinder- und Jugendbücher wächst stetig und erreichte 2023 einen Umsatz von 672 Millionen Euro – ein Plus von 7,4 Prozent seit 2019. Diese Zahlen zeigen deutlich: Eltern investieren gerne in Bücher für ihre Kinder, wenn sie den Wert des Lesens erkennen.
Wie können wir als Eltern unseren Kindern dabei helfen, die Magie der Bücher (wieder-)entdecken? Einige bewährte Strategien schauen wir uns im Folgenden genauer an.
Nie mehr Lesemuffel? Vorlesen als Grundstein
Vorlesen ist der Schlüssel zur Lesemotivation – und zwar in jedem Alter. Auch wenn dein Kind bereits selbst lesen kann, solltest du nicht aufhören vorzulesen. Wähle spannende Geschichten aus, die über dem aktuellen Lesevermögen deines Kindes liegen. So erlebt es komplexere Handlungen und erweitert seinen Wortschatz, ohne sich mit der Technik des Lesens abmühen zu müssen.
Schaffe feste Vorleserituale: Ob vor dem Schlafengehen, nach dem Mittagessen oder am Wochenende – Regelmäßigkeit ist entscheidend. Um diese festen Zeiten zu organisieren, gibt es hilfreiche Lösungen für den Familienalltag. Nutze verschiedene Stimmen für unterschiedliche Charaktere und lass dein Kind raten, wie die Geschichte weitergeht.
Die richtige Buchauswahl: Interesse vor Niveau
Vergiss die Vorstellung, dass dein Kind nur „wertvolle“ Literatur lesen sollte. Comics, Sachbücher über Dinosaurier, Fußball-Magazine oder Fantasy-Romane – alles, was dein Kind interessiert, ist ein guter Anfang. Die vielfältigen Neuerscheinungen im Kinder- und Jugendbuchbereich bieten für jeden Geschmack das Passende.
Beobachte die Interessen deines Kindes genau: Ist es fasziniert von Tieren, Technik oder Abenteuern? Nutze diese Leidenschaften als Türöffner zur Lesewelt. Ein Kind, das sich für Weltraum interessiert, wird eher zu einem Astronauten-Sachbuch greifen als zu einem Märchenbuch.
Nie mehr Lesemuffel? Lesen als Familienerlebnis gestalten
Mache Lesen zu einer gemeinsamen Aktivität. Führt Familien-Lesezeiten ein, in denen alle gleichzeitig lesen – jeder sein eigenes Buch. Diese „stille Zeit“ zeigt deinem Kind, dass Lesen für die ganze Familie wichtig ist.
Organisiere Buchbesprechungen am Esstisch: Jeder erzählt von seinem aktuellen Buch. Besucht gemeinsam Buchhandlungen und Bibliotheken, und lass dein Kind selbst auswählen. Der Besuch einer Autorenlesung kann ebenfalls inspirierend wirken.
Eine gemütliche Leseecke kann Wunder bewirken. Richte einen besonderen Platz nur zum Lesen ein: mit weichen Kissen, guter Beleuchtung und einer kleinen Büchersammlung in Reichweite. Dieser Ort sollte frei von Ablenkungen sein – kein Fernseher, keine Spielsachen, nur Bücher und Gemütlichkeit.
Achte auf die richtige Atmosphäre: Warmes Licht, eine kuschelige Decke und vielleicht sogar ein spezieller „Lesesessel“ können das Lesen zu einem besonderen Erlebnis machen. Manche Kinder lesen auch gerne im Freien – ein Baum im Garten oder eine Parkbank können ebenfalls zu Lieblingsleseplätzen werden.
Moderne Technologie clever nutzen
Hörbücher können eine Brücke zum gedruckten Wort sein. Lass dein Kind zunächst die Geschichte hören und biete dann das entsprechende Buch zum Mitlesen an. E-Reader mit verstellbarer Schriftgröße können für Kinder mit Leseschwierigkeiten hilfreich sein.
Apps, die Geschichten interaktiv erzählen, können den Einstieg erleichtern. Wichtig ist jedoch, dass digitale Hilfsmittel das analoge Lesen ergänzen, nicht ersetzen. Das Ziel bleibt das klassische Buch.
Gegen Lesemuffel: Belohnungssysteme und Motivation
Erstelle ein Lesetagebuch oder eine Lesechallenge. Eine wunderbare und motivierende Idee ist es auch, für jedes neue Buch gemeinsam individuelle Lesezeichen zu basteln. Kleine Belohnungen für erreichte Ziele können zusätzlich motivieren: Nach fünf gelesenen Büchern gibt es einen Ausflug in die Lieblingsbuchhandlung oder ein neues Buch nach Wahl.
Wichtig: Die Belohnung sollte immer im Zusammenhang mit dem Lesen stehen. Ein neues Buch, ein Besuch bei einer Autorenlesung oder ein gemütlicher Lesenachmittag sind bessere Motivatoren als Süßigkeiten oder Spielzeug.
Digital Detox: Bildschirmfreie Zeiten als Lesechance nutzen
Der wachsende Trend zu „Digital Detox“ und mehr Achtsamkeit im Familienalltag eröffnet neue Möglichkeiten, das Lesen als bewusste, bildschirmfreie und konzentrationsfördernde Aktivität zu etablieren. Gerade nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie, die den Medienkonsum von Kindern stark beeinflusst hat, sehnen sich viele Familien nach einem bewussteren Umgang mit digitalen Medien.
Weitere Tipps und Tricks für mehr Lesezeit
Definiere klare Zeiten und Räume ohne digitale Geräte. Das Schlafzimmer, der Esstisch oder bestimmte Tageszeiten können zu handyfreien Zonen werden. In diesen Momenten wird Lesen zur natürlichen Alternative. Beginne mit kurzen Zeiträumen – bereits 30 Minuten täglich können einen spürbaren Unterschied machen.
Die „Goldene Stunde“ vor dem Schlafengehen
Ersetze die abendliche Bildschirmzeit durch eine entspannte Lesezeit. Studien zeigen, dass das blaue Licht von Bildschirmen den Schlaf stört, während Lesen beruhigend wirkt. Diese „Goldene Stunde“ vor dem Schlafengehen kann zu einem wertvollen Ritual werden, das sowohl die Schlafqualität als auch die Lesemotivation fördert.
Analoge Alternativen für digitale Gewohnheiten
Statt YouTube-Videos über Dinosaurier können Sachbücher über Urzeittiere treten. Anstelle von Online-Spielen bieten sich Abenteuerromane an. Der Schlüssel liegt darin, die Interessen deines Kindes zu erkennen und passende Bücher als Ersatz für digitale Inhalte anzubieten.
Praktische Umsetzung des Digital Detox
Familien-Handykorb: Alle Geräte kommen während der Lesezeit in eine Box
Bildschirmfreie Mahlzeiten: Nutze Essenszeiten für Buchgespräche
Wochenend-Lesezeiten: Samstagmorgen ohne Tablets, dafür mit Büchern
Reise-Rituale: Lange Autofahrten werden zu Hörbuch- oder Lesezeiten
Leseförderung ist ein Marathon, kein Sprint. Setze dir und deinem Kind realistische Ziele: Vielleicht beginnt ihr mit fünf Minuten täglich und steigert euch langsam. Feiere kleine Erfolge – das erste selbstständig gelesene Kapitel, der erste Bibliotheksbesuch oder das erste Mal, dass dein Kind nach einem bestimmten Buch fragt.
Denke daran: Das Bildungsniveau der Eltern hat nachhaltigen Einfluss auf das Leseverhalten der Kinder. Du bist das wichtigste Vorbild. Wenn dein Kind sieht, dass du gerne liest, wird es dieses Verhalten eher übernehmen.
DER Lesemuffel? Besondere Aufmerksamkeit für Jungen
Studien zeigen, dass Jungen im Vergleich zu Mädchen eine Risikogruppe in Bezug auf die Lesekompetenz und -motivation darstellen. Hier können spezielle Strategien helfen:
Action-orientierte Bücher: Abenteuer, Sport, Technik sprechen oft mehr an
Sachbücher nutzen: Viele Jungen bevorzugen Fakten vor Fiktion
Männliche Vorbilder: Väter, Großväter oder Onkel als Vorleser einbeziehen
Kurze Leseeinheiten: Lieber häufig und kurz als selten und lang
Fazit: Lesemuffel ade? Kleine Schritte, große Wirkung
Die Statistiken mögen beunruhigend sein, aber sie zeigen auch: Es gibt viel Potenzial. Mit Kreativität, Geduld und den richtigen Strategien kann jedes Kind wieder Freude am Lesen finden. Der bewusste Umgang mit digitalen Medien und die Schaffung bildschirmfreier Räume bieten dabei besonders große Chancen.
Die 672 Millionen Euro, die deutsche Familien jährlich für Kinder- und Jugendbücher ausgeben, zeigen: Die Bereitschaft ist da. Jetzt gilt es, diese Investition durch die richtigen Methoden zum Leben zu erwecken und aus Lesemuffeln begeisterte Bücherwürmer zu machen.
Wichtig ist vor allem eines: Gib nicht auf. Jedes Kind kann lesen lernen und Freude daran finden – manchmal braucht es nur den richtigen Ansatz und etwas mehr Zeit. Die Mühe lohnt sich: Kinder, die gerne lesen, haben bessere Bildungschancen, mehr Empathie und eine reichere Fantasie. Sie sind besser gerüstet für die Herausforderungen unserer komplexen Welt.